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Pius Waeger | Der Bootbauer GmbH
Weiherstrasse 4
6353 Weggis
Telefon +41 79 365 17 41
pius@holzboote.ch

Ticino – Holzbau in Vollendung

Regelmässig zur gleichen Tageszeit kommt die Thermik am Lago Maggiore auf. Der Wind weht meistens aus südlicher Richtung, mit drei bis vier, manchmal fünf Windstärken. Doch es kann auch mal ruppiger zugehen, wenn ein Föhnsturm über den See zieht und das Wasser aufwühlt. Die Wellen sind meistens kurz und steil. Die beiden Yachtdesigner Stadelmann und Bolinger nahmen diese Merkmale der Tessiner Seen als Grundlage für ein Boot, das mit den Vorstellungen der Eigner in Einklang gebracht werden sollte. Und die waren definiert. Es musste ein Daycruiser für Einhandsegler sein. Ein Aufbau war nicht wichtig, doch genügend Stauraum musste sein. Die Yachtdesigner zeichneten ein Schiff mit ungewöhnlichen Merkmalen, das an Rasse nichts zu wünschen übrig liess und sich den südichen Gefilden anpasste: die Ticino. Der Bootsbauer Pius Wäger baute sie und steckte viel Liebe in diesen Holzbau. Und es musste perfekt sein.

Technische Daten

Länge ü. a. 8,00 m
Länge Wasserlinie 6,77 m
Breite ü. a. 2,25 m
Tiefgang 1,75 m
Verdrängung 1970 kg
Ballastanteil 51,5 %
Grosssegel 20 m2
Fock 11,5 m2
Topgenua 24 m2
Ticino

Absolut Kursstabil

Die Ticino erinnert auf den ersten Blick an den 5.5er: das hohe Freibord, die eher kurze «Nase» sprich Bug. Doch die Yacht ist um einiges breiter und widerspricht so der strengen Linie des 5.5er. Da für diese Einzelyacht keine Formel die Länge der Wasserlinie bestraft, wurde diese selbstverständlich lange gewählt. Eine hohe maximale Rumpfgeschwindigkeit ist die Folge. Und dies ohne grossen Ruderdruck. Das Design der Yacht ist für das schnelle Einhandsegeln im Beaufortbereich von eins bis fünf Windstärken ausgerichtet. Es ist auch bei Krängung bis zu 30 Grad absolut kursstabil, was dem Einhandsegler die Arbeit an Deck erleichtert. Die Yacht weist durch ihren modernen Kiel und das Ruder mit hohen Spannweiten und Längsverhältnis ausserordentlich gute Segeleigenschaften auf. Sie läuft sehr hoch am Wind. Und sie läuft auch bei den für die Tessiner Seen typischen kurzen und steilen Wellenbildern sehr ruhig. Von dieser Konstruktion bestehen bereits zwei Yachten. Sie unterscheiden sich jedoch im Innenausbau und der Motorisierung.

Sicherheitsaspekt

Für den Einhandsegler mussten gewisse Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden. So wurde bei dieser Yacht das hohe Freibord respektive tiefe Cockpit gewählt. Es soll ja auch niemand über Bord fallen. So ist das «auf der Kante sitzen» bei dieser Yacht nicht nötig. Die Ticino hat ein sehr hohes Aufrichtemoment. Das ist kein Wunder, hängen doch 1000 kg Blei am 1,75 m langen Kiel. Und aus dem Cockpit heraus hat der Skipper guten überblick. Und trocken bleibt man da, selbst wenn bei vier Beaufort noch ungerefft gesegelt wird. Spritzwasser kommt durch den hohen Sülrand auch weniger über.

Je nach Wunsch

Die Ticino gibt es bereits in zwei Versionen. Die erste wurde mit einem Elektromotor ausgerüstet, die andere mit einem Diesel. Die erste Version hat einen Antirutschbelag, die in diesem Jahr gebaute bekam ein Teakdeck. Beide Boote wurden unter Vakuum mit formverleimten Vollholz gebaut Die Bedienungselemente wurden zwar nach den Wünschen der Eigner platziert, doch Winschen, Schoten und Elektronik können auch vom Alleinsegler während der Fahrt bequem erreicht werden. Entweder wurden sie als zentrale Winscheinheit mit allen Fallklemmen im Cockpit oder beim neueren Boot auf Deck montiert. Die Yachten wurden mit einer Selbstwendefock ausgerüstet. Bei wenig Wind kann aber eine Topgenua gezogen werden. Der Mast ist dafür eingerichtet; abgestützt durch zwei Saling und einen Jumpstag. Ansonsten wird mit 31,5 m2 Segelfläche am Wind gefahren. Verblüffend ist auch der Boomkicker am Baum. Wird das Grosstuch heruntergelassen, hält er den Baum nach oben, damit dieser nicht aufs Deck fällt. Oder bei wenig Wind stützt er den Baum und schont so bei schlagendem Segel das Tuch. Dafür muss mehr Kraft aufgewendet werden, der Niederholer wird dichter genommen.

Kleine, feine Details

Das Cockpit selber ist gross und geräumig. Es bietet bei beiden Yachten genügend Raum für drei Leute. Im Bereich des Steuermanns erlauben der abgrundete Cockpitrand und die Sitzbänke aus feinster Holzarbeit bequemen Sitzkomfort. Sitzt man jedoch auf der Kante, finden die Füsse wenig Halt. Deswegen liess sich der Besitzer der neueren Yacht etwas einfallen. Eine kleine «Brücke» verbindet die beiden Sitzbänke steuer- und backbords. Bei einem Manöver kann sie einfach unters Heck zurückgeschoben werden. Die Mitsegler dagegen müssen sich auf der Kante festhalten, denn die kleine Leiste auf den Sitzbänken bietet wenig Halt. Aber eben, die Yacht wurde zum Einhandsegeln gebaut. Der Bugbereich mit seiner Länge von 1,90 m ist der ideale Stauraum. Entweder können Segel und dergleichen dort untergebracht werden. Oder aber er kann als Schlafplatz genutzt werden, denn breit genug ist er, dafür nur knapp 60 cm hoch. Die Lucke unter dem Vordeck macht den Raum etwas lichter, so dass man nicht gerade Platzangst bekommt. Sollte jemand ins Wasser fallen, käme er alleine nicht mehr ins Schiff. Das Freibord ist wirklich hoch. Darum baute Waeger bei der zweiten Version im Heck einen Tritt mit einer Leiter ein, die auch aus dem Wasser heraus bedient werden kann.

Fazit

Die Schiffe wurden mit der Liebe zum Detail gebaut. Als Daycruiser haben sie Temperament, können aber durchaus von einer Person gesteuert werden. Sie segeln sich sehr trocken. Ein Schiff in dieser Grössenordnung, ein Schmuckstück, das seinesgleichen sucht, hat seinen Preis. Für die Grundversion ohne Motor müssen rund 90‘000 Franken gerechnet werden. Die Ticino ist dank drei Auftriebstanks unsinkbar. Mit ihren rund 8 m Länge lässt sie sich in den meisten Häfen unterbringen. Nur der Tiefgang von rund 1,80 m könnte etwas Probleme bereiten. Sie ist gebaut für nicht mehr ganz junge Segler. Es sind Einzelanfertigungen, die in dieser Grösse mit eingebautem Motor nirgends sonst zu finden sind.

Quelle: Yacht 11 / 2000, Cornelia Geiger